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Online Shopping Bulimie. Einkauf für Sparsame

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Ich spare. Sogar so sehr, dass die letzte Mode-Saison komplett ohne mein Zutun stattgefunden hat. Weil das bei aller Verzichts-Vorbildlichkeit frustrierende Momente hat, habe ich ein potentes Allheilmittel für den Konsumentzug: the internet.

In den Warenkorb legen …
Hier drücke ich meine Shopping-Nase an virtuelle Schaufenster, blättere zur Inspiration in eMags und bummele durch www-Boutiquen. Ich drehe Bilder von politisch unkorrekten Pelzjacken, unerschwinglichen Taschen, irren Schuhen, für Hamburg zu wilden Kleidern und variiere die Farben, bis ein Klick die Traumteilchen in meinen Warenkorb packt. Dann tingele ich in die Amazon.de-Abteilung für Haushaltsgeräte, fahre meine Maus kurz bei Mercedes oder Skoda vorbei (ja, im Moment parkt der knuffige Yeti oben auf meiner Favoritenliste!), fische aus der Tchibo.de-Kiste ein Yoga-Teilchen heraus und reserviere einen ökologisch einwandfreien Echtholzboden für meine Küche.

Wem die Tränen über das (zu Unrecht als erledigt abgehakte!) Wirtschaftselend noch nicht versiegt sind: Shopping-Touren im Internet sparen euch Geld. Säckeweise. Notgroschen und Altersvorsorge hält rund und stattlich, wer mein einfaches Rezept befolgt. Ich habe es in schlaflosen Nächten vor dem Monitor entwickelt und OSB genannt: Online Shopping Bulimie. Die einzige Form von Freßkotzanfällen, die nachhaltig gut tut.

Die Zutaten:

1 internetfähiger Computer (Apple, sieht besser aus)

gut und gern 1 GHz Prozessorleistung

1 – 10 Kaufinteressen (ergeben durchschnittlich 100 Website-Aufrufe)

ausreichend Arbeitsspeicher (für gleichzeitiges Shoppen in diversen Onlineläden)

Zeit nach Belieben

1 Getränk (mindestens 0,5 Liter, aber um kein Risiko einzugehen: alkoholfrei!)

1 Schale fettfreies, gesalzenes Popcorn

nach Wahl: 1 Kreditkarte

Die Vorbereitungen:

Nehmen Sie vor dem Computer Platz und meditieren Sie kurz darüber, welche Produktwelt im Moment absolut unvermeidbar erscheint. Irgend etwas fehlt ja immer: Im Schrank hängt nicht ein Kleid in der Saisonfarbe, Schuhe sind da, aber merkwürdigerweise nie die richtigen, in Sachen Weihnachten wollte man schon immer heute an Morgen denken, oder wie wäre es mit einer Digitalkamera, die ist bei Amazon.de interessanterweise täglich im Sonderangebot. Geben Sie dann Ihr Kaufziel in Stichworten bei Google ein. Wer glaubt, wunschlos glücklich zu sein, aber einen Beweis braucht, kann sich auch in die unendliche Weite des Internets fallen lassen, vielleicht bleibt im Netz der Netze ja irgendein Fang hängen, der den Zweifel hinreichend zu nähren vermag.

Freuen Sie sich nun bewusst darüber, dass Ihnen niemand in den Hacken steht mit der Frage, ob Sie beim Einkauf allein zurecht kommen. Klicken Sie entschlossen alle Links an, deren Seiten ansprechend genug gestaltet worden sind, um Ihre Aufmerksamkeit zu verdienen. Klicken Sie dagegen rückhaltlos alles weg, wo man Ihr Geld und Ihr Engagement nicht zu würdigen weiß: Da die Transparenz des Internets so ziemlich alle Preise nivelliert, hat man es nicht nötig, sich durch billige, schlecht gewartete und stümperhaft zusammengedengelte 1.x-Seiten zu quälen. Einzige Ausnahme: Spezialinteressen. Stellen Sie Getränk und Popcorn in Reichweite, man weiß ja nie, wie lang man bummeln geht. Hochleistungs-Shopper (Training, Training, Training, Leute!) legen außerdem Ihre Kreditkarte neben die Tastatur.

Der Einkauf:

Sobald Google Ihnen ein Menü appetitlicher Angebote dargeboten hat und Sie – reiner Spaß an der Freud – vielleicht noch den günstigsten Anbieter mit den besten Kaufbewertungen gefunden haben, hauen Sie rein. Seien Sie hemmungslos, das Zeug wiegt schließlich nichts. Christian-Louboutin-Sonderanfertigungen, Cocktail-Kleider von Zac Posen und Taschen von MiuMiu und Marni (www.net-a-porter.com), ökologisches Waschmittel, das selbst die LOHAS-Prominenz in die Trommel kippen würde (www.ecover.com), ein Surfboard-Teakstuhl, brandneu antik, aus Indonesien (www.balifurnish.com) oder Sammlerpretiosen (www.christies.com) – möge Ihr Appetit grenzenlos sein. Stopfen Sie sich so richtig voll. Aber bleiben Sie nüchtern! Kurz vor Knapp brauchen Sie nämlich Nerven.

Der Gang zur Kasse:

Hier trennt sich die OSB-Spreu vom OSB-Weizen. Feiglinge und solche, die würgen, aber nicht brechen können, sollten aufhören. Aufstehen, einatmen, ausatmen, zu Bett gehen. Nur echte, wahre und durch und durch verdorbene Online Shopping Bulimiker gehen den ganzen Weg, bis zum intimsten Dateneintrag: Bankverbindung, Kreditkartendetails, Lieferadresse, Mobiltelefonnummer und im unvermeidlichen Pop-up-Fenster noch die Kundenzufriedenheitsbefragung inklusive Altersangabe und Offenlegung des Freizeitverhaltens, falls vorhanden. Ziehen Sie blank, erleben Sie den Rausch des total transparenten Einkaufs. Werfen Sie die Euro-Scheinchen mit beiden Händen auf der Tastatur zum Monitor raus, ob 100 oder tausende, ganz ohne Reue und Schuldenberater. Denn zum schönen Schluss kommt …

… die Ersparnis:

Denn jetzt kotzen Sie jetzt das ganze Gerumms zurück in den digitalen Orkus. Loggen Sie aus. Quit, Command-Q und wie immer man auf Windows-Dosen mit seinem Browser Schluss macht. Und falls Ihnen doch etwas durchrutscht, das einige Tage später dann in der Paketannahmestelle des Vertrauens Staub fängt: Schicken Sie es zurück. Kostet wieder nichts. Gibt aber den Deutsche-Post-Aktien einen Schub. Ein bisschen echtes Wirtschaftswachstum hie und da kann nicht schaden, auch, um sich bei Zeiten wieder an den wirklichen Konsum-Tropf hängen zu können.

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